Braucht es ein aussergewöhnlich gutes Gehör, um rein intonieren zu können?

In Gesprächen mit Kolleginnen, Kollegen, Musikern und Musikerinnen höre ich immer wieder die Äusserung, „ich habe leider kein gutes Gehör“. Mein Antwort darauf lautet jeweils: „Wenn du keinen Gehörschaden hast, so verfügst du über ein gutes Gehör.“

Jeder Mensch ist lernfähig. Er hat wahrscheinlich Affinitäten zu bestimmten Tätigkeitsbereichen. Jemand der gerne gut isst, wird nicht automatisch Sternekoch. Um gut kochen zu können, muss das Handwerk erlernt werden. Insbesondere muss die feine Wahrnehmung von Gerüchen und Geschmackseindrücken trainiert und verfeinert werden. Er oder sie muss in der Lage sein, aus Gerichten die unterschiedlichen Gewürze und Zutaten herauszuschmecken. Diese Fähigkeiten werden mit einem Erfahrungswissen und der eigenen Kreativität verbunden.

In jedem Tätigkeitsbereich des Menschen gilt das Sprichwort „Übung macht den Meister und die Meisterin!“.

Gehörbildung / Hörtraining

Akustische Ereignisse werden über das Gehör wahrgenommen. Dieses Organ ist folglich das wichtigste Werkzeug aller Musikerinnen und Musiker. Der Gehörbildungsunterricht ist deshalb ein zentrales Fach während des Musikstudiums. Die Gehörschulung beginnt bereits in der musikalischen Früherziehung. Da lernen die Kinder auf spielerische Weise erst zu unterscheiden ob ein Ton höher oder tiefer, lauter oder leiser, härter oder weicher als ein anderer ist. Danach wird die Wahrnehmung erweitert, indem darauf geachtet wird ob der Schritt nach oben oder unten ein enger (Halbton) oder weiter (Ganzton) ist. So wird die Wahrnehmung nach und nach erweitert, bis die angehenden Musiker in der Lage sind, mehrstimmige Sätze in einem Diktat aufzuschreiben. Selbstverständlich wird nicht bloss das Erkennen von akustischen Ereignissen, sondern auch das Singen von Intervallen, Tonleitern, Akkordbrechungen und Melodien in unterschiedlichen Stilarten trainiert. Dieses Training ist zeitaufwändig aber vor allem für Dirigentinnen und Dirigenten unumgänglich. Ein gut geschultes Gehör vermittelt Sicherheit für die Dirigententätigkeit. Schließlich muss man als Dirigent doch eine Riesenmenge an akustischen Daten verarbeiten und sehr rasch darauf reagieren. Deshalb lohnt sich der Aufwand des Trainings in hohem Masse.

Methoden

Zum Glück gibt es Methoden, welche helfen, Unreinheiten der Intonation relativ leicht wahrzunehmen. Es sind dies die Schwebungen. Werden zwei Töne mit annähernd gleicher Frequenz zusammen gespielt, so nimmt man nicht zwei unterschiedliche Töne wahr. Wir hören einen Ton, der an- und abschwellt. Dieses Phänomen wird Schwebung genannt.

Je schneller die Schwebung, umso weiter liegen die beiden Töne auseinander. Das Ziel ist der Ruheklang.

Schwebungen können auch bei Intervallen und Akkorden wahrgenommen werden. Hier entstehen die Schwebungen zwischen den Ober- oder Partialtönen der gespielten Töne.

Partialtoene-Schwebungen

Bereits der fünfte Partialton der Terz e des C-Dur-Dreiklangs ist der Ton gis, welcher mit dem g der Quint des Dreiklangs eine Dissonanz bildet. Aus diesem Grunde kommt dem Klangausgleich innerhalb eines Akkords grosse Bedeutung zu. Es ist besonders darauf zu achten, dass die Terz nicht zu viel Gewicht erhält.

Referenztöne

Um rein intonieren zu können, benötigen die Instrumentalisten stabile Referenztöne, auf welche sie sich abstimmen können. Wird ein Intervall in einem Duett gespielt, so ist die Sache relativ einfach zu handhaben. Die Stimme, welche den Grundton spielt, hält diesen stabil. So kann die andere Spielerin ihren Ton so intonieren, dass die Schwebung verschwindet und der Klang in sich ruht. In einem grösseren Ensemble ist es die Aufgabe der Dirigentinnen und Dirigenten, das Hören im Orchester zu organisieren und Referenztöne festzulegen. Diese können generell über Stimmführer organisiert werden. Da in einem Musikstück die Funktionen und die Zusammensetzung der Register stetig wechseln, müssen spezifische Anordnungen getroffen werden.

Referenztoene im Blasorchester

Aufbau von Akkorden

Muss ein einzelner Akkord während der Probe eingestimmt werden, so empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Erst werden die reinen Intervalle eingestimmt. Bei diesen Intervallen können Schwebungen sehr leicht festgestellt und korrigiert werden. Danach werden die konsonanten Intervalle, also vor allem die Terz des Akkordes dazu genommen. In einem weiteren Schritt kommen dann die dissonanten Intervalle wie Septime, None, usw. dazu. Dieses systematische Vorgehen, erleichtert es allen Beteiligten, sich gut orientieren zu können.

Um die Akkorde richtig einstimmen zu können, ist ein genaues Partitur-Studium unumgänglich. Gedanken und Hinweise dazu folgen in einem nächsten Beitrag.

Informationen zum reinen Intonieren und zur Methodik finden Sie in allen Ausgaben der Band Coaching Serie. Spezifische Informationen zur Intonation gibt es im Theorieheft zu Band Coaching Band 2: Intonationstraining.

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1 Kommentar

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