Vom Wert des Choralspiels für die Ensembleschulung

In praktisch allen Blasmusikvereinen werden während der Einspielphase ein oder mehrere Choräle oder Werke mit getragenem Charakter gespielt. Das ist auch gut so. Bei einer gründlichen Probenarbeit dieser Musikstücke können sehr viele Aspekte der Orchesterkultur erarbeitet werden.

Wieso eignen sich Choräle besonders gut für diesen Zweck?

Hymns, Songs, Spirituals 1

Werke mit getragenem Charakter, welche während der Einspielphase gewählt werden, sind meist in einem sehr bequemen Tonumfang geschrieben, so dass die Tongebung durch die Musiker relativ mühelos erfolgen kann. Die rhythmischen und technischen Anforderungen sind gering und die Tempi der Musikstücke meist eher langsam. Da das menschliche Gehirn in jedem einzelnen Augenblick nur eine beschränkte Anzahl an Informationen aufnehmen kann, ermöglicht das Spiel von Chorälen den Musikern, alle Aspekte einer kultivierten Spielweise wahrzunehmen, zu formen und zu kontrollieren. Dieses achtsame und bewusste Spiel ist eine der wichtigsten Voraussetzungen überhaupt, um die Spielweise jedes einzelnen Orchestermitglieds zu optimieren und somit die Gesamtleistung zu steigern.
Selbstverständlich kann man Choräle als Pflichtübung einfach ein oder zwei Mal durchspielen. Das bringt aber wenig Nutzen. Es ist die Aufgabe der Dirigentinnen und Dirigenten, die Aufmerksamkeit der Musiker zu fordern und zu fördern, indem sie gezielt auf alle wesentlichen Aspekte des Orchesterspiels geleitet wird:

  • differenzierte Tongebung
  • gemeinsames Atmen und damit verbunden das gemeinsame Einsetzen aller Spielerinnen und Spieler
  • einheitliches und spannungsreiches Phrasieren
  • Phrasenenden werden mit voller Aufmerksamkeit bis zum gemeinsamen Abschluss mit Spannung gespielt
  • präzises Zusammenspiel
  • einheitliches Artikulieren
  • dynamisches Spiel, bei dem alle Abstufungen von ppp – fff wahrgenommen und wirkungsvoll gestaltet werden
  • aufeinander Hören im Orchester fördern und dieses durch den Einsatz von Stimmführern organisieren
  • reines Intonieren und bewusstes Hören
  • Gestaltung der Klangbalance. Alle Spieler sind sich ihrer Funktion innerhalb des Orchesters bewusst.
  • freudvolles, lebendiges und ausdrucksstarkes Musizieren in der Gruppe
  • Dirigent und Musiker stehen in engem (Blick-)Kontakt.

Beispiel eines einfachen Choralsatzes

Word of God

Word of God von Edward Elgar, bearb. Hans-Peter Blaser

Der Choral Word of God von Edward Elgar ist ein kurzer und einfacher Choral. Trotzdem oder gerade deshalb stellt er hohe Anforderungen an die Ausführenden. Bei rhythmisch sehr einfachen und homophon gesetzten Musikstücken kann sich niemand verstecken. Jede Ungenauigkeit wird sofort wahrgenommen, seien es ungenaue Akkordwechsel, unausgewogener Orchesterklang, getrübte Intonation, uneinheitliches Artikulieren, usw. Aufgrund der übersichtlichen Struktur und des langsamen Tempos haben alle Zuhörenden genügend Zeit, alle akustischen Ereignisse wahrzunehmen, was bei komplexen Stücken und schnellen Tempi nicht unbedingt der Fall ist. Aus diesem Grunde eignen sich derart einfache Musikstücke ganz besonders für die Zwecke der Orchesterschulung, also des Band Coachings.

Aufnahme mit virtuellen Blasinstrumenten

Tipps für Dirigentinnen und Dirigenten

Analysieren Sie während der Vorbereitung der Musikprobe den Choral harmonisch und formal. Es ist sehr hilfreich, zu wissen, welcher Akkord in jedem Moment zu erklingen hat. Nur so sind Sie in der Lage Klangausgleich und Intonation bewusst zu kontrollieren und da wo es notwendig ist, zielgerichtete Anleitungen zur Korrektur zu vermitteln. Genauso verhält es sich mit der formalen Analyse. Diese vermittelt Ihnen Informationen über die Struktur des Werkes und dessen Phrasenverlauf.
Word of God - harmonische und formale AnalyseIn Verbindung mit den Erkenntnissen aus der harmonischen Analyse lassen sich wesentliche Informationen zum Spannungsverlauf der Phrasen gewinnen. Selbstverständlich gehört zur Vorbereitung auch das Studium der Instrumentation, das Hinweise zur Gestaltung des Klangausgleichs und zu Feinheiten der Intonation vermittelt.
Die Harmonik sowie die formale Struktur von Chorälen sind meist recht einfach gehalten. So hält sich der Zeitaufwand für das Studium in Grenzen. Der Aufwand lohnt sich in jedem Fall.

Der Choral Word of God umfasst 8 Takte und ist gegliedert in: 4(2 + 2) + 4 Takte. Es handelt sich folglich um einen klassischen Satz bestehend aus Motiv, Motivwiederholung (sequenziert) und Entwicklung hin zur Schlusskadenz.
Die Phrasierung ist auftaktig, was bedeutet, dass der Hauptspannungspunkt einer Phrase jeweils kurz vor Phrasenende liegt:

Takt 2: Bbmaj7 = Subdominante mit grosser Septime, welche zur Dominante weitergeführt wird.
Takt 4: Dominantquartsextakkord, welcher in die Dominante und in die abschliessende Tonika aufgelöst wird (Spannung —> Entspannung)
Takt 8: Entspricht Takt 4

Dank einer guten Vorbereitung und einer umfassenden Werkkenntnis können Sie zielgerichtet arbeiten und fühlen sich sicher. Damit überzeugen Sie Ihre Musikerinnen und Musiker vom Sinn und Wert des Choralspiels bzw. des Band Coachings im Allgemeinen.
Wagen Sie es, an einem Werk so eingehend zu arbeiten wie es nötig ist, damit Sie Ihre Klang- und Werksvorstellung realisieren können. Das zahlt sich aus, und auch die Musiker werden von dieser Arbeitsweise begeistert sein.

Einzelcoaching für das Partiturstudium

Im Einzelcoaching haben Sie die Möglichkeit mit meiner Unterstützung und Anleitung eine Partitur vollständig zu analysieren. Dieses Coaching kann dank der heutigen technischen Möglichkeiten sehr gut online stattfinden. Es vermittelt Ihnen die Sicherheit, welche Sie für Ihre wertvolle Arbeit zusammen mit Ihrem Orchester benötigen.

Der Vorteil des Onlinecoachings besteht darin, dass die Zeiten sehr flexibel und Ihren individuellen Möglichkeiten entsprechend gewählt werden können. Für Sie entfällt die Reise zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Unterrichtsort. Das Coaching ist auf Ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt.

Weitere Informationen…

Hymns, Songs, Spirituals 1

„Abwechslung macht das Leben süss!“
Jeder Dirigent hat seine bevorzugten Choräle, welcher er oft während den Proben spielt. Das ist verständlich. Soll aber die Aufmerksamkeit der Musiker für die Bedürfnisse der Ensembleschulung geweckt und aufrecht erhalten werden, so empfiehlt es sich, immer wieder neue, unverbrauchte Stücke mit getragenem Charakter zu wählen.
Zu diesem Zweck, genauso aber auch für Auftritte, eignen sich die 6 Werke der Sammlung „Hymns, Songs, Spirituals 1“ von Hans-Peter Blaser. Diese enthält Bearbeitungen von vier Chorälen, einem irischen Volkslied und einem Spiritual. Zwei Choräle sind durchgehend im Tutti gesetzt. Die übrigen sind farbig und wirkungsvoll Instrumentiert, so dass die unterschiedlichen Charaktere dieser Musikstücke sehr gut zur Entfaltung gebracht werden.
Eine Bereicherung für Ihr Repertoire!

Weitere Informationen, Demopartitur, und virtuelle Aufnahmen aller Musikstücke…

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